Samstag, 21. November 2020

Mensch - von Madame Malevizia

 

«Wir sind doch auch nur aus Mensch, aus Knochen und Fleisch, ein Herz das schlägt, Seele und Geist. Wieviel können wir geben und wieviel verträgt es. Einfach nur Mensch aus Knochen und Fleisch.»

Dieser Refrain vom Lied «Us Mänsch (Bligg und Marc Sway), geht mir nicht mehr aus dem Kopf, seit ich den Kommentar von Ch. Mörgeli zur Irina Hellmann gelesen habe. Er stösst in dasselbe Horn wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen der bürgerlichen Parteien. Auch in der Bevölkerung gibt es ähnliche Haltungen. Immer wieder hören wir: «Solange sie noch Zeit haben, zum bloggen/ protestieren oder so, kann es ja nicht so schlimm sein.» Wir werden als «Jammeris» dargestellt und wer sich offen zeigt, wird persönlich angegriffen.

Ich kann dazu nur eines sagen: Wer keine Argumente mehr hat, der zielt halt ad hominem, also auf den Menschen. Schon deswegen habe ich keine Lust auf Herrn Mörgelis Frontalangriff zu antworten. Doch möchte ich zwei Dinge klarstellen:

Pflegende sind weder Superwoman, noch Heilige, noch eine eigene Spezies. Wir sind Menschen!

Und als Menschen haben wir Rechte. Das Recht auf Freizeit, zum Beispiel. Und anstatt diese ohnehin schon knappe Zeit, zur Regeration von unserem Knochenjob nutzen zu können, gehen wir auf die Strasse oder hämmern in die Tastatur um die Politik und die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass wir gerade sehenden Auges in eine riesige Katastrophe hineinrasen. Wir tun das, weil wir es als unsere Pflicht ansehen, die Dinge beim Namen zu nennen, weil wir genug davon haben, für Dinge die Verantwortung übernehmen zu müssen, die wir nicht in der Hand haben. Und genau deshalb stehen wir jetzt hin und nehmen unsere Rechte wahr. Das Recht der Meinungsäusserung ebenso, wie unsere Berufsrechte. Wir haben das Recht Grenzen zu setzen. Ich bin froh und dankbar, dass unsere Berufsverbände und Gewerkschaften jetzt laut sind und die Schweinereien, die laufen beim Namen nennen. Das ist nicht jammern, das ist sagen wies ist. Und wer das nicht aushält, sollte sich dringend Hilfe suchen.

 Pflegende sind kluge, reflektierte Menschen, sie sind geduldig, aber sie lassen sich nicht mehr länger verarschen!

Einige werfen uns vor, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist. Schliesslich sind wir mitten in einer Krise. Diese Haltung hatten wir in der Ersten Welle auch. Wir haben uns darauf konzentriert unsere Arbeit bestmöglich zu tun. Wir haben darauf vertraut, dass danach auf uns gehört wird und sich im Gesundheitswesen etwas ändert. Dann kam der Sommer, es wurde überall ruhiger. Die Politik hat über alles Mögliche und Unmögliche gesprochen. Doch zum Pflegenotstand verlor keiner ein Wort.

Viele von uns haben sich geschworen: «Ich gehe nicht noch einmal schweigend durch diese Krise.» Und darum nehmen wir uns trotz allem die Zeit uns zu positionieren und aufzuklären. Ja, das kann etwas nerven und genau das soll es auch, denn nur so, werden wir offensichtlich wahr – und irgendwann mal auch ernst genommen. 

Zu sagen «Es kann ja nicht so schlimm sein», oder «jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt», ist sehr einfach. Es ist das bewusste Verschliessen vor der Realität und Verhindern jeglicher sinnvoller Lösung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ihr jetzt mit mir zusammen hinsteht, ob offen mit Eurem Gesicht oder anonym: Lasst Euch von diesen Angriffen nicht entmutigen, sondern nehmt sie als Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

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