Freitag, 11. Dezember 2020

Sind Sie für uns? - von Christina Schumacher

Es darf und muss auch einmal gesagt werden: Wir Pflegenden erleben gerade in der aktuellen Situation mit der COVID-19 Pandemie sehr viel Solidarität in der Bevölkerung. So viele Personen, die uns tatsächlich zuhören, unsere Beiträge kommentieren und teilen und innerhalb ihrer Möglichkeiten wirklich alles für uns tun. Ihr seid grossartig. Ihr haltet uns aufrecht. Danke Euch!

Es sind dies alles „normale“ Leute, wie du und ich. Die Bürger*innen dieses Landes. Damit sich aber etwas ändert – jetzt konkret, aber auch ganz grundsätzlich – braucht es hingegen die Politik. Von dort hören wir im besten Fall ein ohrenbetäubendes Schweigen, im schlimmsten Fall werden unsere Anliegen klein geredet, negiert und verhöhnt. Tatsächlich müssten die Politikerinnen und Politiker dieses Landes hinstehen und zugeben, dass man das Problem mit dem Fachkräftemangel in der Pflege in den letzten zehn oder zwanzig Jahren schlicht verschlafen hat. Man müsste das eigene Versagen eingestehen. Dass Politiker dies nicht gerne machen, ist uns klar.

Man muss sich das einmal vorstellen. Noch nicht einmal in der aktuellen Situation, in der wohl jeder und jede irgendwie mitbekommen hat, dass es mit den Pflegefachpersonen ein Problem gibt und Betten alleine keinem einzigen Patienten, keiner einzigen Patientin irgendwie helfen können, ist immer noch mehr als die Hälfte des Ständerates gegen den – miserablen – indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Kurz zur Erklärung, was die am 29. November 2017 mit 120‘000 Unterschriften vom SBK eingereichte Pflegeinitiative fordert:

1. Wir fordern eine massive Ausbildungsoffensive! Dass die Schweiz nicht einmal die Hälfte des benötigten Pflegefachpersonals ausbildet, ist ein Armutszeugnis. Die Auslandsabhängigkeit ist gefährlich und ethisch nicht vertretbar.

2. Wir fordern, dass die Autonomie der Pflege endlich anerkannt wird! Die Pflege ist gesetzlich immer noch als medizinischer Hilfsberuf eingestuft. Pflegefachpersonen sind jedoch hochkompetente Gesundheitsfachpersonen, die dank ihrer Ausbildung wesentlich dazu beitragen, dass unser Gesundheitssystem für alle Herausforderungen gerüstet ist.

3. Wir fordern mehr Zeit für Pflege! Unsere Berufsleute pflegen Menschen. Wir fordern ein Ende der Pflege "à la minute". Nicht das Geld, sondern die Patientinnen und Patienten müssen im Mittelpunkt stehen. Wir fordern deshalb dem Pflegebedarf angepasste Personalschlüssel.

4. Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen, und zwar jetzt! Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet werden, dass mehr Menschen den Pflegeberuf ergreifen, ihre Laufbahn darin planen und so ein Berufsleben lang gesund und motiviert in der Pflege arbeiten können.

Die Initiative wurde vom Bundesrat ohne einen Gegenvorschlag abgelehnt..... Die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit entwarf einen indirekten Gegenvorschlag, der nur noch zwei unserer vier Forderungen enthält. Mager genug. Aber selbst diese Version findet in unseren Räten keine Mehrheiten.

Das ist die Währung über die wir hier sprechen, wenn es ums Thema «Aufwertung der Pflegeberufe» geht. Keiner spricht über bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal auf den Schichten, eine Verbesserung der Pflegequalität oder höhere Löhne. Die Politik kann sich noch nicht einmal dazu durchringen, die Kantone zu verpflichten, mehr Pflegende auszubilden und dass Pflegende Leistungen aus ihrem Fachgebiet direkt mit den Krankenkassen abrechnen können. (Welche Lobby da wohl dahinter steckt?).

Und damit kommen wir zum Punkt des heutigen Beitrages: Wir haben sehr gut gehört, wer gegen uns ist. Sie sind laut, sie sind klar, sie sind überall. Wir würden nun gerne einmal hören, wer für uns ist. Nicht in irgendwelchen abgespeckten Formen. Nicht mit einem «Ja, aber…». Welche Politikerinnen und Politiker in der Schweiz stehen mit uns für die Forderungen der Pflegeinitiative? Melden Sie sich! Wir sind sehr an Ihnen interessiert.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Die Sache mit dem Jammern - von Madame Malevizia

 

«Die Pflegenden jammern nur!» Dieser Vorwurf trifft mich jedes Mal wie ein Peitschenhieb. Ich zucke innerlich zusammen. Ich will doch nicht jammern. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, soll ich dies oder jenes schreiben, oder wird es dann als jammern wahrgenommen? Und gerade jetzt frage ich mich, warum ist jammern so verpönt?

Ich denke es liegt zum einen daran, weil es nicht angenehm ist, zu hören, dass es jemandem, in diesem Fall einer gesamten Berufsgruppe schlecht geht und sie kurz vor dem Zusammenbruch steht. Wir haben es lieber, wenn die «Happy – Life» - Momente geteilt werden. Und gerade von Pflegenden wird erwartet, dass sie ihren Beruf als Bestimmung und Erfüllung erleben. Da stört es ungemein, wenn diese gerade jetzt die Schatten dieses lichtvollen Berufes an die Öffentlichkeit zerren.

Und wenn wir es genau betrachten, wenn wir diesen Stimmen, die immer lauter werden zuhören, müssen wir feststellen: Was gerade im Gesundheitswesen geschieht ist ein Skandal und eine Katastrophe. Wenn wir wirklich hinsehen, stellen wir fest, dass in den letzten Jahren so viel schiefgelaufen ist, dass Menschen in Lebensgefahr bald nicht mehr rechtzeitig gerettet werden können. Was gerade jetzt im Gesundheitswesen geschieht, ist ein Tanz mit dem Feuer. Das zu realisieren macht Angst. Dann lieber die Killerphrase: «Euer jammern, nervt», benutzen und zurück in die Comfort – Zone, des nicht wissen wollens.

Ein Kommentar, ging noch weiter. «Heul leise!», meinte dieser. Tut mir leid, diesen Gefallen kann ich ihm nicht tun. Wir Pflegenden haben nämlich schon viel zu lange leise vor uns hin gelitten. Und was hat es uns gebracht? Jedes Jahr erneute Sparmassnahmen auf unserem Rücken, Politikerinnen und Politiker, sowie weite Teile der Gesellschaft, die keinen blassen Schimmer haben, was Pflegende tun. Schweigen und leise sein, ist einfach keine Option mehr.

Als Pflegende übernehme ich die Verantwortung für Menschen, deren Leben und deren Unversehrtheit bedroht ist. Wenn ich diese Verantwortung nicht mehr tragen kann, ist es meine Pflicht, dies zu äussern. Und genau das tue ich und glücklicherweise immer mehr meiner Kolleginnen und Kollegen.

Ich sage, wie es ist, weil ich will, dass diese Realität endlich zum Thema wird. In der Politik und der Gesellschaft. Denn erst dann, werden wir auch in der Lage sein, sinnvolle Lösungen zu finden.

Und wenn wir diese Lösungen umgesetzt haben, werde ich endlich das tun können, was ich schon immer wollte: Den schönsten Beruf der Welt ausüben.

Dienstag, 1. Dezember 2020

Kein Skandal? Kein Interesse! - von Christina Schumacher

Der Alltag an der Pflegebasis ist gerade nicht sehr schön. Er ist auch nicht härzig oder befriedigend, vor allem aber ist er nicht skandalös genug. Nicht skandalös genug, dass es die Öffentlichkeit und damit auch die Medien, interessieren würde. Schön wären solche Bilder, wie wir sie im Frühling aus Italien gesehen haben. Pflegende mit Druckstellen im Gesicht vom tagelangen Tragen der FFP2 Masken, mit dicken Augenringen, strähnig-fettigem Haar, traurigem Blick. Auch die Fotos jener amerikanischen Kollegin, ihr Bildvergleich „Wie es begann“ und „Wie es läuft“, stösst auf grosses Interesse. Beim Berufsverband der Pflege SBK gingen bereits zig Anfragen ein, ob wir Personen „für solche Fotos“ vermitteln könnten. Können wir nicht. Nur schon aus Gründen der Pietät.

Oder die Geschichte von Sophia. Der portugiesischen Pflegefachfrau ist in Vila Nova de Gaia eine Wandmalerei gewidmet. Darauf schlägt sie mit einem Baseballschläger auf das Corona Virus ein. Nachdem sie selbst mit einem schweren Verlauf an COVID-19 erkrankt war, arbeitet Sophia nun wieder 18 Stunden Schichten für neun Euro die Stunde. Da können wir natürlich nicht mithalten. Und darüber sind wir froh

In Grossbritannien sind bisher bereits über hundert medizinische Fachpersonen an einer COVID-19 Infektion gestorben. Auch da können wir „leider“ nicht mithalten. Auch darüber sind wir unendlich froh.

Das Interessante sind die Skandale, die Katastrophen, das Schaurige. Das, was einem Angst macht. Wir haben vielleicht keine Druckstellen im Gesicht und tatsächlich schaffte es die reiche Schweiz mittlerweile auch an den allermeisten Orten genügend Schutzmaterial zur Verfügung zu haben für das medizinische Fachpersonal. Das Arbeitsgesetz ist – noch – nicht wieder ausser Kraft gesetzt in den Spitälern und der Reallohn einer Pflegenden ist in der Schweiz höher als in Portugal. (Gemessen am durchschnittlichen Einkommen im Land allerdings nicht.) 

Nichts desto trotz geschehen aktuell in den Gesundheitsinstitutionen der Schweiz – und längst nicht etwa nur auf den Intensivstationen – Tag für Tag stille und einsame Tragödien. Ausgelöst durch dieses Virus und durch den Fachkräftemangel in der Pflege. Die meisten dieser Tragödien hätten verhindert werden können. Wenn man früher und gründlicher auf das Virus in der zweiten Welle reagiert hätte. Und wenn man auf den Pflegenotstand überhaupt reagiert hätte. Diese Tatsache IST ein Skandal, aber halt keiner, der schaurig genug wäre. 


P.S.: Wir sind traurig. Sr. Liliane Juchli, die "Grande Dame" der Pflege ist gestern an einer Infektion mit dem Corona Virus verstorben. Trauer hat mitunter eine lähmende Wirkung. Aber Sr. Liliane hätte genau das hier von uns erwartet: Dass wir weiter machen. Im Sinne ihres Vermächtnisses - und darüber hinaus. 

Sind Sie für uns? - von Christina Schumacher

Es darf und muss auch einmal gesagt werden: Wir Pflegenden erleben gerade in der aktuellen Situation mit der COVID-19 Pandemie sehr viel S...